Krieg in Georgien - Die Kriegsursachen und Gründe
Neuauflage des Jugoslawien-Krieges - der Westen und Russland diesmal mit vertauschten Rollen
Auffällig ist, dass der Krieg in Georgien sehr dem Krieg in Jugoslawien ähnelt.
Verglichen mit Jugoslawien ist allerdings pikant, dass die NATO und Russland in Georgien einen kompletten Rollentausch vollzogen haben.
Nachfolgende Beispiele sollen das erläutern.
Widerspruch Eins
Jugoslawien:
1991 forderte die deutsche Bundesregierung vom jugoslawischen Staat und dem ihn unterstützenden Russland das Selbstbestimmungsrecht Sloweniens und Kroatiens (später Bosniens und des Kosovo) zu akzeptieren. Der blutige Zerfall Jugoslawiens wurde dadurch endgültig verschärft.
Vertauschte Rollen in Georgien:
Seit vielen Jahren fordert die russische Regierung vom georgischen Staat und der ihn unterstützenden NATO das Selbstbestimmungsrecht Südossetiens und Abchasiens zu akzeptieren. Georgien wird dadurch zunehmend instabil.
Widerspruch Zwei
Jugoslawien:
Der Westen (v.a. Deutschland) baut von Anfang an Kontakte zu den Separatisten in Jugoslawien (Slowenien, Kroatien, Bosnien, Kosovo) auf und wirbt um sie - militärische Unterstützung eingeschlossen:
- z.B. verdeckte CIA-Unterstützung für bosnische Separatisten, verdeckte deutsche Unterstützung für Kosovo-Separatisten,
- Nach Bürgerkrieg und ethnischen Säuberungen sichern ab 1997 NATO-Truppen die Unabhängigkeit der bosnischen Separatisten von “Rest-Jugoslawien”,
- Kosovo-Krieg 1999: offener NATO-Krieg gegen “Rest-Jugoslawien” - um jugoslawische Invasion im Kosovo zu stoppen, NATO-Truppen sichern Unabhängigkeit des Kosovo.
Erfolg: Slowenien gehört mittlerweile zur EU, Kroatien ist Anwärter auf NATO-Mitgliedschaft, alle Separatisten (Slowenien, Kroatien, Bosnien, Kosovo) verfolgen freiwillig eine intensive Annäherung an den Westen.
Vertauschte Rollen in Georgien:
Russland baut von Anfang an Kontakte zu den Separatisten in Georgien (Südossetien, Abchasien) auf und wirbt um sie - militärische Unterstützung eingeschlossen:
- z.B. verdeckte russische Unterstützung für südossetische Separatisten durch Waffenlieferungen
- Nach Bürgerkrieg und ethnischen Säuberungen sichern ab 1992 russische Truppen die Unabhängigkeit der südossetischen Separatisten von Georgien,
- aktueller Krieg in Georgien: offener Krieg Russlands gegen Georgien - um georgische Invasion in Südossetien zu stoppen, Russische Truppen sichern Unabhängigkeit Südossetiens.
Erfolg: Südossetien gehört mittlerweile faktisch zu Russland, nachdem Russland an die Bürger Südossetiens russische Pässe ausgegeben hat, alle Separatisten (Südossetien, Abchasien) verfolgen freiwillig eine intensive Annäherung an Russland.
Widerspruch Drei
Jugoslawien:
Russland fordert die NATO auf, die Souveränität Jugoslawiens nicht zu verletzen und die Luftangriffe auf Jugoslawien mitsamt der Hauptstadt Belgrad unverzüglich einzustellen. Die territoriale Integrität Jugoslawiens müsse erhalten bleiben.
Russland unterstützt das serbische “Rest-Jugoslawien” auch militärisch - im Kosovo-Krieg besetzen russische Fallschirm-Springer den Flughafen von Pristina, was beinahe zu Gefechten mit britischen Einheiten führt.
Vertauschte Rollen in Georgien:
Die NATO fordert Russland auf, die Souveränität Georgiens nicht zu verletzen und die Luftangriffe auf Georgien mitsamt der Hauptstadt Tiflis (=Tbilisi) unverzüglich einzustellen. Die territoriale Integrität Georgiens müsse erhalten bleiben.
Die NATO unterstützt Georgien auch militärisch - seit vielen Jahren rüsten die USA und die EU die georgische Armee massiv auf. Vor wenigen Wochen fand zuletzt ein gemeinsames Manöver von 1000 US-Soldaten mit georgischen Truppen statt.
Die Kriegsursachen - Kampf zwischen der USA, der EU und Russland um Einfluss in Zentralasien und im Nahen Osten
Es ist eigenartig, wie die NATO und Russland sich gegenseitig streiten - und dabei auf exakt die gleichen Menschenrechte stützen - nur mit vertauschten Rollen.
Mal verteidigt die NATO das Recht auf Selbstbestimmung der Separatisten, mal verteidigt Russland es.
Mal bestreitet die NATO das Recht auf Selbstbestimmung der Separatisten und verteidigt die Souveränität und territoriale Integrität des “Mutterlandes”, mal tut Russland genau das Gleiche.
Obwohl sowohl die NATO als auch Russland die selben Argumente verwenden, werden sich beide doch nicht einig.
Das wirft die Frage nach tiefer liegenden Ursachen des Konflikts auf - jenseits von Menschenrechts-Rhetorik.
Vor vier Jahren verfassten wir für einen südossetischen Christen, der in Deutschland erfolglos Asyl beantragte, ein Gutachten über den damals schon absehbaren Bürgerkrieg zwischen der Georgischen Regierung und den südossetischen Separatisten .
Dabei entdeckten wir, wie stark diese Region bereits damals in den Kampf der Großmächte USA, EU und Russland um geopolitischen Einfluss hineingeraten war.
Ethnische Spannungen zwischen Georgiern und Südosseten schienen das kleinere Problem zu sein, viel stärker war das verzweifelte Ringen mehrerer Großmächte um Einfluss in der Region.
Unserer Erkenntnis nach ist dieses Ringen Folge der gegenseitigen Angst der Großmächte, im globalen ökonomischen Wettbewerb gegeneinander in eine unterlegene Position zu geraten.
Diese Angst schien uns die Ursache dafür zu sein, dass jede dieser Großmächte nach politisch-militärischen Einflussmöglichkeiten auf den jeweiligen Gegner sucht, um diesen zu kontrollieren und verhandlungsbereit zu halten, sollte dieser ökonomisch überlegen werden.
Eine solche Einflussmöglichkeit zur Kontrolle der jeweils konkurrierenden Großmacht ist Georgien.
Herausragende geostrategische Bedeutung erhält Georgien für die EU und die USA dadurch, dass es einen Transitkorridor von der EU sowohl zu den Erdölreserven des Mittleren Ostens als auch zu den boomenden Wirtschaftsstandorten China und Indien darstellt. Der einzige Transitkorridor, der frei ist von russischem und arabischem Einfluss!
Durch die Kontrolle Georgiens und damit verbunden Zentralasiens kann der Westen seine Abhängigkeit von russischem Erdöl und Erdgas reduzieren und stattdessen seinerseits den russischen Zugang zum Mittleren Osten und dem ökonomisch boomenden Indien kontrollieren.
Das ist besonders für die USA wichtig, die hoch verschuldet sind und starke ökonomische Probleme haben.
Deswegen unterstützte der Westen den Regierungsantritt des georgischen Präsidenten Saakaschwili 2004 sowie dessen nationalistischen Kurs gegen die Südossetischen Separatisten - und unternahm auch nichts gegen ihn, als er in den letzten Jahren immer offener diktatorisch agierte und Regierungskritiker verschwinden ließ (Vom zunehmenden Verschwinden von Kritikern berichtete uns unlängst eine georgische Freundin).
Deswegen bauten westliche Öl-Konsortien die sog. “BTC-Pipeline”. Diese Pipeline, die von Baku am Kaspischen Meer in Aserbaidschan über die georgische Hauptstadt Tiflis in den türkischen Mittelmeer-Hafen Ceyhan führt (deswegen BTC-Pipeline), ist die einzige Pipeline unter Kontrolle des Westens, die frei von russischem und arabischem Einfluss ist!
Umgekehrt will Russland seinen Zugang zu den zentralasiatischen Öl- und Gasvorkommen trotz eigener großer Öl- und Gas-Vorkommen nicht verlieren - um den Einfluss auf die ökonomisch starken Wirtschaftsstandorte Europa, China und Indien und - trotz Schulden - USA nicht zu verlieren.
Deswegen unterstützt Russland Südossetien, dessen Territorium bis 25 km an die frisch fertiggestellte “BTC-Pipeline” heranreicht.
Vermutlich hoffte der Westen darauf, dass Saakaschwili die BTC-Pipeline sichern könnte, indem er Südossetien unter seine Kontrolle bringt - ohne Einmischung der Russen.
Russland nahm aber die georgische Invasion nicht hin - und zerstörte westliche Hoffnungen.
Der Krieg eskalierte.
Obendrein bombardierte Russlands Luftwaffe nach Angaben des “Deutschlandfunk” vergangenen Donnerstag die BTC-Pipeline - und damit das Herzstück westlicher Hoffnungen auf strategischen Einfluss in der Region.
Die genaue Herleitung der Kriegsursachen mit zahlreichen Belegen und Primärquellen aus dem Europäischen Parlament, aus dem amerikanischen Kongreß, von amerikanischen Präsidenten- und CIA-Beratern etc. kann in dem von uns erstellten oben angeführten Gutachten gelesen und nachvollzogen werden.
Wenngleich das Gutachten vier Jahre alt ist und manche Details veraltet sind, so sind Quellen, Kernthesen und Schlussfolgerungen von brennender Aktualität!
Unter folgendem Link ist das Gutachten einsehbar: